KSW Perspektiven Magazin 5|2025 - Magazin - Seite 7
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
Vom Kohleofen zur KI
Text: Tobias Wagner
Je e昀케zienter eine Technologie wird, desto weniger Ressourcen verbrauchen wir. Sollte man
meinen. Aber weit gefehlt: Das Jevons-Paradox zeigt uns bereits seit 160 Jahren sehr eindrücklich, dass dieser Zusammenhang häu昀椀g
nicht zutri昀昀t. Aktuell erleben wir dies im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). So kann
der Erfolg neuer Anwendungen für ihre Entwickler sogar zur Rentabilitätsfalle werden.
Schon im 19. Jahrhundert wunderte sich
der britische Ökonom William Jevons darüber, dass effizientere Dampfmaschinen den
Kohleverbrauch nicht etwa senkten, sondern
ihn regelrecht explodieren ließen. Plötzlich
dampfte es überall: in Fabriken, Zügen und
sogar in den Haushalten, wo man mit Kohle nicht nur heizte, sondern auch zu kochen
begann.
Die Kohleöfen sind weitgehend Geschichte,
das Prinzip ist geblieben. Künstliche Intelligenz ist unser neuer Dampfmaschinen-Moment. Das jüngste Beispiel nennt sich DeepSeek. Chinesische KI-Entwickler haben dieses
Sprachmodell auf den Markt gebracht, das
nicht nur leistungsstark mit den etablier-
ten Anbietern mithalten kann, sondern
auch hocheffizient ist: weniger Rechenkapazität, weniger Energieverbrauch, weniger
Kapitaleinsatz bei der Entwicklung. Klingt,
als könnte das die Ressourcen-Schlacht um
Chips und Server-Farmen entschärfen, oder?
Mehr Anwendungen erfordern mehr Ressourcen
Kaum war DeepSeek veröffentlicht, rauschten die Aktienkurse von Tech-Giganten wie
Nvidia oder Meta in den Keller. Würden wir
viel weniger Hochleistungschips benötigen
als erwartet? Der Kursrutsch fand ein schnelles Ende mit der Erkenntnis, dass man KI in
einem noch breiteren Feld einsetzen kann,
wenn sie effizienter und günstiger wird. Wir
erleben das Jevons-Paradox in seiner Reinform: Mehr Anwendungen erzeugen mehr
Nachfrage. Und damit steigt auch der Bedarf
an Chips, Energie und anderen Ressourcen.
Für das Portfoliomanagement hat dieser
Vorfall einmal mehr gezeigt, dass eine Investition in KI-Firmen kein Selbstläufer ist. Die
Vorreiter und Taktgeber von heute können
morgen schon überholt werden. Fraglich ist
auch, ob die heutigen Milliarden-Investitionen der Tech-Giganten in KI zukünftig Früchte tragen. Bringen die Investitionen nicht
die erwartete Rendite, werden die Kurse im
hoch bewerteten KI-Sektor fallen.
An einer ausgewogenen Diversifikation im
Depot führt weiterhin kein Weg vorbei. Von
Künstlicher Intelligenz profitieren nicht nur
Tech-Firmen und Chip-Hersteller. Ganze
Branchen werden mittels KI ihre Prozesse effizienter gestalten, Kosten reduzieren, Qualität verbessern und ihre Rentabilität steigern können. Das Jevons-Paradox erinnert
uns daran, dass technologische Fortschritte oft eine Eigendynamik entwickeln, die
schwer vorhersehbar ist und uns sicherlich
noch häufig überraschen wird.
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