KSW Perspektiven Magazin 5|2025 - Magazin - Seite 6
QUO VADIS?
Trump spielt mit dem Feuer
Text: Thorsten Göhl
Das Trump’sche Zoll-Chaos lässt mich unwillkürlich an eine Szene aus dem Filmepos „Quo
Vadis“ von 1951 denken, in dem Sir Peter Ustinov den wahnsinnigen Kaiser Nero verkörpert:
Während Rom brennt, blickt Nero fasziniert
auf das Flammenmeer – singend, als wäre er
bloß Zuschauer. Die Verantwortung für das
Chaos schiebt er anderen in die Schuhe.
Zugegeben: Die Welt steht heute nicht buchstäblich in Flammen. Doch die Handels- und
Zollpolitik des US-Präsidenten wirkt wie ein
riskantes Spiel mit dem Feuer. Was da noch
folgt, ist ungewiss. Genau diese Unsicherheit
spüren wir an den Finanzmärkten: Die Volatilität hat spürbar zugenommen.
Wer mit der erneuten Wahl Trumps eine
Fortsetzung der US-Rally auch 2025 erwartet
hatte, wurde zu Beginn des Jahres auf dem
falschen Fuß erwischt. Die Euphorie um amerikanische Technologiewerte scheint vorerst
vorbei. Politische Entscheidungen, die sogar
eine Rezession oder Stagflation billigend in
Kauf nehmen, haben die Rahmenbedingungen in den USA deutlich verschlechtert.
Der US-Leitindex S&P 500 und der Nasdaq
verzeichnen bereits seit Jahresbeginn deutliche Verluste. Mit der Ankündigung neuer
Zölle der USA gegen den Rest der Welt hat
sich dieser Trend zunächst verschärft. Auch
Europa und China spüren die Auswirkungen,
doch innerhalb der einzelnen Sektoren gibt
es enorme Spreizungen zwischen Siegern
und Verlierern dieser Politik. Während einige Unternehmen leiden, ergeben sich für andere interessante Chancen, die auch Anleger
nutzen sollten.
Tech-Werte: Vorteil für China
Den makroökonomischen Gegenwind spüren
vor allem die hoch bewerteten Wachstumswerte in den USA. Derweil befinden sich chi-
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nesische Technologiewerte dank staatlicher
Rückendeckung im Aufholmodus. Da sie
einen Großteil Ihres Umsatzes im Inland erzielen, sind sie von der unbeständigen Zollpolitik des amtierenden US-Präsidenten zum
Teil unabhängig. Dies trifft ebenso auf chinesische Mobilitätsaktien, Autobauer und Lieferanten von KI-Komponenten zu, sowie auf
Firmen aus den Bereichen Cloud-Computing
und E-Commerce.
Portfolios brauchen jetzt aktives Management
Mit Blick auf die deutsche Wirtschaft geraten neben den bekannten Sorgenkindern
aus der Automobil- und Chemiebranche inzwischen auch Textil- bzw. Sportartikelhersteller in den Fokus. Da sie vielfach in Asien
fertigen, sind sie im hohen Maß von den politischen Rahmenbedingungen abhängig.
Die bessere Wahl sind für Anleger daher Unternehmen, die vor allem am Heimatmarkt
tätig sind und wenig in die USA exportieren.
Energieversorger gehören hier zu den aussichtsreichen Kandidaten. Auch wenn USTech-Unternehmen unseren Alltag weiterhin
prägen werden, könnten aktuelle politische
Entwicklungen eine neue Ausrichtung von
Aktienportfolios notwendig machen.
Zu Jahresbeginn konnten sich die chinesischen, aber auch europäische Aktienmärkte
von den US-Titeln absetzen. Die im Durchschnitt niedrigeren Bewertungen, die beschlossene Fiskalwende in Deutschland,
Bürokratieabbau und das nötige stärkere
Zusammenrücken innerhalb der EU könnten dazu führen, dass europäische Aktien
während der Präsidentschaft von Trump die
Nase vorne haben. Wer also rein passiv auf
den MSCI World setzt – der stark von USWerten dominiert wird – könnte Chancen in
Europa und Asien verpassen.